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Lebenswertorientierung nach H.Thiersch



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 5 Grundmerkmale lebensweltorientierter Sozialpädagogik nach Thiersch

  1. Respekt: Soziale Arbeit agiert mit Respekt vor der Lebenswelt der Adressaten. Sie handelt mit Rücksicht auf Ihre Verständniss- und Handlungsmustern und nimmt dabei Ihren räumlichen, zeitlichen und sozialen Erfahrungsraum wahr. Ressourcen und soziale Netze aus der Lebenswelt der Adressaten werden wesentlich in die Arbeit einbezogen. Ich arbeite mit Respekt vor dem Wissen und der Erfahrung des Adressaten mit ihm zusammen, unter Einbezug seiner Ressourcen und sozialer Netze. 3 konkrete Beispiele für die Umsetzung in meiner Praxis: Familiäres Umfeld, Aussenkontakte einbeziehen, berücksichtigen von wo er kommt, aus welcher Zeitepoche. Sich für die Hobbys interessieren; Z.B. Fussballtraining zuschauen.
  2. Veränderung: Soziale Arbeit drängt auf Veränderungen und Verbesserungen der Lebenslage eines Menschen. Sie handelt immer im Zwiespalt von entlastender, guter Selbstverständlichkeit auf der einen Seite, Verdrängung und Einschränkung auf der anderen. Ich bin mir Bewusst, dass innerhalb der existierenden Verhältnisse des Adressaten, eine Diskrepanz zwischen einigermassen wirksamen und akzeptierten Handeln, aber auch einem vom "Nicht-Wahrhaben-Wollen" und selbst geschaffenen Problemen geprägten Handeln besteht. Beispiele: Adressat mit Migrationshintergrund wird wütend wenn er Deutsch lernen muss, da er es nicht gut kann und demoliert sein Zimmer. Ich dränge nach Möglichkeit auf Veränderung der Situation. Adressatin will ihren Teller nicht abräumen, da sie aufgrund zu spät dran war ihre rationierten Süssigkeiten zu beziehen. Ich kann ihr Handeln nachvollziehen, weise sie jedoch auf eine destruktive Haltung der Gruppe gegenüber hin.

  3. Aushandlungsprozess: Soziale Arbeit anerkennt, dass Adressaten stets Regisseure ihres Lebens sind. Soziale Arbeit kann nur Aushandlungsprozesse über Lösungen anstreben. Sie berücksichtigt die Eigen-Sinnigkeit der Erfahrungen. Ich strebe eine partnerschaftliche Beziehung mit dem Adressaten an. Ich gehe davon aus das Er selbst am besten weis was gut für Ihn ist und versuche ihm Raum zu geben sich, innerhalb der gegebenen Verhältnisse zu realisieren. Beispiele: Wie bringt der Adressat den Schaden wieder in Ordnung, wie geht er das Problem an, was braucht es aus seiner Sicht, um seine Frustrationstoleranz zu erhöhen. Wie kann die Adressatin ihr Gesicht wahren ohne unfair der Gruppe gegenüber zu sein. 

  4. Verlässliche Verhältnisse: Soziale Arbeit ist bemüht um verlässliche Verhältnisse und überschaubare Lebensräume. Sie ist mit der Brüchigkeit der Alltagserfahrungen der Adressaten konfrontiert, aktiviert Ressourcen und "gute Lern-und Erfahrungsräume". Ich bemühe mich, für den Adressaten, auch in schwierigen Zeiten einen strukturierten, überschaubaren und sicheren Lebensraum zu schaffen. Beispiele: Ich gebe dem Adressaten das Gefühl, trotz geringer Frustrationstoleranz, von Geborgenheit, Zugehörigkeit und Sicherheit. Ich rede der Adressatin bei Gefühlsausbrüchen gut zu und gebe ihr das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit: "Es ist alles i.O., solche Situationen sind normal, du darfst wütend sein und wir lernen beide daraus".

  5. Balanceakt zwischen Respekt und Veränderung: Soziale Arbeit muss den Balanceakt bewahren zwischen Respekt, Bewertung und Kritik, zwischen Respekt und Neugestaltung. Dies ist insofern heikel, da die SA selbst nur innerhalb ihrer eigenen Rahmenbedingungen handeln kann. Ich lerne in meiner Arbeit feinfühlig einzuschätzen wann der Adressat zu fördern ist und wann man ihn so belässt wie er ist. Voraussetzung ist der grundlegende Respekt seines Handelns. Beispiele: Balanceakt: Respekt vor seinem Handeln vs. Hinweis auf Veränderung, Interpretation/Kritik sowie Hinweis etwas neues auszuprobieren (Lernstrategien entwickeln). Respekt vor Ihrer Handlung vs. Hinweise auf Resilienzförderung (Veränderung) Gruppenzusammenhalt (Kritik) und Tipps zur Neugestaltung (weniger reden beim Essen).

Was meint Thiersch mit...

  • Lebenswelt als Selbstverständlichkeit

  • Lebenswelt als Aufgabe

Lebenswelt  als Selbstverständlichkeit

Hier versteht man Lebenswelt als eine Wirklichkeit. in der wir uns selbst­verständlich vorfinden. uns zu Hause fühlen, uns auskennen und gefor­dert werden. In dieser Lebenswelt versucht der Mensch zurechtzukom­men, indem er sein Handeln durch Typisierung. Routine und selbst aufgestellte Regeln entlastet.

Lebenswelt  als Aufgabe

Zweite Auffassung von Lebenswelt meint eine Wirklichkeit. die in un­serer Zeit offensichtlich schwierig, mühsam, herausfordernd und z.T. überfordernd ist. Des Weiteren ist die neue Lebenswelt charakterisiert durch die beiden Pole: Pluralität der Lebenswelten und Individualisierung der Lebensführung. Weitergegebene (tradierte) Lebensformen wie Wohnen, Lernen, Zusammenleben und Arbeiten werden brüchig, enthalten allerdings auch neue Chancen. Diese Situation beinhaltet für viele Menschen Forderung wie auch z.T. Überforderung. Um seine Lebenswelt nun jedoch wieder übersichtlich und gestaltbar zu machen, brauchen viele - und offensicht­lich zunehmend mehr Menschen - Anregungen. Unterstützung und Be­ratung. Es wird zunehmend notwendig, Beziehungen zu stiften und sozi­ale Bezüge, Netze und Lebensräume zu schaffen.

5 Dimensionen der Theoriebildung von Sozialer Arbeit nach Thiersch

1. Lebenswelt der Adressaten:

Frage  nach den Lebensverhältnissen und -defiziten der Adressaten. Sozialpädagogik/Sozialarbeit - für Thiersch ist diese Reihenfolge üblich - muss die Lebenserfahrungen und -welten jener Menschen kennen, mit denen sie es zu tun hat. Soziale Arbeit geht dabei zunächst von der Normalität des Alltags und erst sekundär von den Schwierigkeiten aus. die eine Person hat.

2. Gesellschaftliche Funktionen:

Frage nach der gesellschaftlichen Funktion sozialpädagogischer Institutionen und Interventionsformen. Die   Sozialpädagogik ist nicht im ökonomisch-politischen Zentrum der Staatstätigkeit sondern in den Lebensbereichen lokalisiert. Sie bearbeitet soziale Konflikte und ihre psychosozialen Auswirkungen aus der Sicht der individuellen Lebensbereiche. Trotzdem ist sie nicht autonom, sondern den sozialstaatlichen Mechanismen ausgesetzt. Abgesehen von der materiellen Existenzsicherung ihrer Adressaten involviert sie sich lediglich als Repräsentant des gesellschaftlichen Normen/Werte in die Lebensverhältnisse der Betroffenen. Es ist kaum zu übersehen wie wenig es der Sozialpädagogik/Sozialarbeit gelingt, konkrete Kritik an den mächtigen Institutionen der Gesellschaft,  wie Arbeitswelt, Politik, Justiz, Medizin oder Schule so zu äußern, daß sie öffentlich wahrgenommen wird.

3. Institutionen Sozialer Arbeit:

Kritische Analyse der disziplinierenden, unterdrückenden, stigmatisierenden Mechanismen von sozialpädagogischen Institutionen und ihren spezifischen Leistungen.

4. Sozialpädagogisches Handeln:

Institutionalisierung von Sozialpädagogik/Sozialarbeit geht einher zunehmender Professionalisierung, die überprüfbar und ausweisbar gestaltet sein muß, sie bildet eigene Handlungs- und Sprachmuster aus und dabei auch eine Distanz zum Klientel, was immer auch Herrschaft beinhaltet. Es stellt sich also die Frage, inwieweit durch pädagogische Professionalisierung Lebensfelder und -aufgaben, die besser der Selbstregulierung im Alltag, d. h. der Kompetenz der eigenen Erfahrungen überlassen bleiben sollten, umstrukturiert werden.

5. Wissenschaftskonzept Sozialer Arbeit:

Thiersch sieht zwar lange Jahre noch in der Erziehungswissenschaft die Leitwissenschaft für Soziale Arbeit. Diese müsse sich allerdings sozialwissenschaftlich orientieren und als kritische Handlungswissenschaft in die Richtung Soziale Arbeit als Wissenschaft gehen. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist. dass Sozialarbeit/Sozialpädagogik ihr Handeln reflektiert. Selbstkritik sollte zum konstitutiven Merkmal von sozialpädagogischer Handlungskompetenz  werden.

3 Weitere Dimensionen der lebensweltorientierten sozialen Arbeit…

1. Sie agiert in der Dimension der erfahrenen Zeit:

Die gelebte und erlebten Lebensphasen der Adressaten/Adressatinnen unterliegen der Zeit und sind oft brüchig und instabil. Auch die Zukunftsperspektiven unterliegen vermehrt dem Risiko der Brüchigkeit und Labilität. Beispiel: In der Berufswahl von Jugendlichen kann sich der Berufswunsch beinahe täglich ändern.

2. Sie agiert in der Dimension Raum:

Leben findet in einem bestimmten Raum statt (geographisch, politisch oder wirtschaftlich). Alle Menschen sind davon geprägt. Beispiel: Unterstützung und Begleitung in der Auswahl von Hobbys.

3. Sie agiert innerhalb eines sozialen Beziehungsnetzes:

Dieses Beziehungsnetz wird hauptsächlich von Ressourcen und Spannungen bestimmt. Beispiel: Klientensitzung

Innerhalb dieser 3 Dimensionen agiert Sie mit besonderem Respekt vor den alltäglichen eher unauffälligen Bewältigungsaufgaben, da diese demjenigen bereits enorme Anstrengungen abverlangen.

Sie gestaltet ihre Unterstützung dass sich der Mensch (analog Partizipation) als Subjekt innerhalb seiner Verhältnisse erleben kann: Hilfe zur Selbsthilfe, Empowerment (Ermächtigung/Verantwortung) und Hilfe zur Indenditätsarbeit.

Balanceakt zwischen... Lobbyarbeit für den individuellen Menschen und dem Vertreten von gesellsch. Werten und Ansprüchen.

Die fünf Handlungsmaximen nach Thiersch

1. Prävention (Ambulante Maßnahmen)

Primäre Prävention = Krisen gar nicht erst entstehen lassen -  Begleitende und unterstützende Maßnahmen sollen ausgebaut, und die stationären abgebaut werden - Sekundäre Prävention = Bei erwartenden belastenden Situationen Hilfe zur Verfügung stellen.Nach Thiersch: Revoluzionäre Umstrukturierung.

2. Alltagsnähe (unmittelbare Präsenz)

Unmittelbare Hilfestellungen in der Lebenswelt der Adressaten, d.h. Erreichbarkeit und Niederschwelligkeit der Angebote. Die Hilfe soll den ineinander verwobenen Lebenserfahrungen gerexht werden. Offener Zugang fördern.

3. Dezentralisierung/ Regionalisierung (Zugangsmöglichkeiten)
In der Umgebung Hilfe schaffen. Zentralisierung von Angeboten ergibt Erschwerung der Zugangsmöglichkeiten für Adressaten. Ziel: Erreichbarkeit der Angebote vor Ort, Verlagerung der Zuständigkeit an die Basis. (z.B. 5 Gemeinden beteiligen sich mit je 20% Stellenprozenten an einer mobilen Jugendarbeit, so dass jede Gemeinde davon profitieren kann)

4. Integration- Normalisierung   

Angebote für alle, nicht nur für die mit Belastungen (→Inklusion) -    Angebote sozialer Arbeit verstehen sich als Normalangebote für alle Menschen.

5. Partizipation (Freiwilligkeit, Mitbestimmung, Selbsthilfe)

Teilhabe/ Teilhaben lassen. Der Mensch erlebt sich als Subjekt, aktive Beteiligung ist daher zwingend.Partizipation zielt auf die Vielfältigkeit von Beteiligungs- und Mitbestimmungs-möglichkeiten. Voraussetzung ist, dass man Ressourcen und die Möglichkeit zu Verhandlungen organisiert. Mitbestimmung der Hilfesuchenden ist ein grundlegendes Element Sozialer Arbeit. 

 

Was hat Lebensweltorientierte soziale Arbeit zur Folge?
  • Sie wird sich immer gesellschaftskritisch einmischen
  • Lebensweltorientierte SozialpädagogInnen müssen über eine hohe Fähigkeit, das eigene Fühlen, Denken und Handeln kritisch zu überprüfen.
  • Die eigene Souveränität beruht auf hohem Fachwissen und auf einer eigenständigen, ethisch und fachlich begründeten Position.

Theoriegrundlagen der Lebensweltorientierung

  1. Hemeneutisch (auslegen/interprätieren) -pragmatische (Sachbezogen/Alltagsorientiert) Linie der Erziehungswissenschaft = Fokus auf Alltag und individuell interpretierte Welt
  2. Phänomelogisch (Ereigniss/Phänomen wahrnehmen)- interaktionistisches (in Interaktion = systemisch d.H. mit Netzwerken arbeiten) Paradigma (Weltansicht) = Fokus auf die Lebenswelt, die strukturiert durch Zeit, erlebten Raum und gelebte Beziehungen ist.
  3. Kritische Alltagstheorien (Alltag wird kritisch beleuchtet) = Fokus auf eine dialektische Herangehensweise (einerseits-andererseits-Haltung). Einerseits Mensch und Situation akzeptieren wie sie sind; andererseits auf Veränderung/Verbesserung drängen.
  4. Kritische Analyse von sozialen Verhältnissen und Lebenswelten = Fokus auf gesellschaftl. Bedingungen und Strukturen, welche analysiert werden. Nicht bloss der individuelle Kontext.
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